Werbung soll begeistern, verführen, verkaufen – doch nicht selten übertreibt sie maßlos. Das MAD Magazin wusste das schon lange, und 2024 brachte es diese Erkenntnis erneut auf den Punkt. In Ausgabe Nr. 35, der sogenannten „Advertising Parody Issue“, wird nicht nur eine Werbeanzeige parodiert – das ganze Heft ist eine einzige große Gegenkampagne. Mit ironischer Präzision und tief verwurzeltem MAD-Humor zeigt das Satiremagazin, wie viel Unsinn in glattpolierten Verkaufsversprechen steckt. Dabei ist diese Ausgabe nicht nur ein satirischer Leckerbissen, sondern auch eine Hommage an MADs jahrzehntelange Werbeparodie-Tradition.
MAD #35 – Das Comeback der Werbesatire
Im Februar 2024 erschien mit Heft Nr. 35 eine Ausgabe, die ausnahmsweise nicht wie gewohnt Themen quer durch Gesellschaft, Popkultur und Politik aufs Korn nimmt – sondern sich ausschließlich einer Sache widmet: Werbung. Die „Advertising Parody Issue“ besteht aus 56 Seiten voll fiktiver Anzeigen, gestaltet mit dem gleichen Ernst und der gleichen Absurdität, die echte Werbung auszeichnen – nur eben mit MADs typischem satirischem Dreh.
Das Cover stammt von Scott Anderson und vereint visuelle Elemente älterer MAD-Ausgaben (z. B. Nr. 263 und Nr. 21) mit einem modernen, fast retrofuturistischen Layout. Inhaltlich bietet das Heft alles: Gesundheitsprodukte mit grotesken Nebenwirkungen, technische Gadgets mit völlig absurden Funktionen und Lifestyle-Angebote, die niemand braucht – und genau deshalb realistisch wirken.
Diese Ausgabe zeigt: MAD ist auch im digitalen Zeitalter in der Lage, Werbung nicht nur zu parodieren, sondern entlarvend zu sezieren.
Eine lange Geschichte der Werbekritik
Die Liebe zur Werbesatire ist bei MAD nicht neu – sie ist Teil der DNA. Noch bis Ausgabe #33 (April 1957) enthielt das Magazin echte Anzeigen. Doch danach beschloss die Redaktion einen radikalen Kurswechsel: Keine echte Werbung mehr, stattdessen vollständig redaktioneller Inhalt. Doch wo andere Magazine damit Werbeeinnahmen verloren hätten, gewann MAD etwas anderes: Unabhängigkeit und kreative Freiheit.
Ab diesem Zeitpunkt wurde Werbung nicht mehr abgedruckt, sondern parodiert. Legendäre Beispiele sind die Kent-Zigaretten-Parodie („The Taste of Death“) oder der fiktive Auto-Werbespot für den „1963¾ Edsel“, der mit Slogans wie „Planned Monthly Obsolescence“ ironisch auf die Wegwerfmentalität der Industrie verwies. Auch der MAD-Fotograf Irving Schild trug mit aufwendig inszenierten Parodien zur Hochphase der MAD-Werbesatire bei – etwa mit Bildern, in denen Haushaltsgeräte durch Wohnzimmerböden krachen oder Parfüms sprichwörtlich explodieren.
Episodische Parodien und der MAD-Bonus
In den regulären Heften erschienen diese Werbeparodien häufig als einseitige Gags – gestylt wie echte Anzeigen, jedoch mit übertriebenen Versprechen, pseudowissenschaftlichem Vokabular und absurden Bildern. Ob Lotionen, Fernseher oder Zahnpasta – jedes Produkt wurde zur Karikatur seiner selbst. Diese episodischen Parodien wurden zum festen Bestandteil vieler MAD-Ausgaben zwischen den 1960er- und frühen 2000er-Jahren.
Doch auch MAD selbst musste gelegentlich Eigenwerbung betreiben – und tat dies auf satirische Weise. In Ausgabe #546 (August 2017) tauchte z. B. das Label „Inside MAD bonus“ auf. Es handelte sich nicht etwa um einen Bonus im eigentlichen Sinn, wie etwa einen Poker Bonus im Glücksspiel, wo die Boni vielfältig sind, aber man dennoch die Umsatzbedingungen genau betrachten sollte, oder um klassische Gratisbeigaben wie Sammelkarten in Comic-Heften, sondern um einen Abo-Werbeblock, der intern so bezeichnet wurde.
Zwar handelte es sich hierbei nicht um eine satirische Parodie im engeren Sinne, sondern um eine echte Werbefläche für MAD-Abonnements – doch die Gestaltung war so überzogen und im typischen MAD-Stil gehalten, dass der ironische Bruch deutlich wurde. Werbung bei MAD – wenn überhaupt – dann bitte mit einem Augenzwinkern.
MADs Werbeblick bleibt scharf
Ob 1957 oder 2024 – MAD ist seit den frühesten Zeiten nicht der Versuchung erlegen, Werbung einfach nur zu drucken. Stattdessen hat das Magazin mit seinen Werbeparodien über Jahrzehnte hinweg ein eigenes Genre geschaffen: visuelle Satire, die gleichzeitig entlarvt, unterhält und zum Nachdenken anregt. Ausgabe Nr. 35 ist der logische Höhepunkt dieser Entwicklung: ein Heft ganz ohne echte Werbung, aber voller Reflexion darüber, wie Werbung uns beeinflusst – und wie man ihr mit Witz begegnet. Wer genug hat von Hochglanz-Illusionen und Clickbait-Angeboten, ist hier genau richtig.